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Pressestimmen

Musik in Dresden

„Trostmusik“, Sächsisches Vocalensemble

5. November, Annenkirche Dresden

Am Vorabend der 350. Wiederkehr des Todestages von Heinrich Schütz erklangen [dessen...] „Musikalisch[e] Exequien“, eine dreiteilige Trauermusik, und als Uraufführung das Chorwerk „Und alles schrie“ nach Texten des Leipziger Theologen und Librettisten Christian Lehnert, der auch Texte von Schütz‘ Zeitgenossen Jakob Böhme einbezogen hat.
Vor dem Konzert moderierte Matthias Herrmann ein aufschlussreiches Gespräch mit dem Komponisten Bernd Franke und dem Dirigenten Matthias Jung. Beide haben seit ihrer Kindheit unterschiedliche, aber intensive Beziehungen zu Schütz. […] Dessen vokale Kunst war [für den Komponisten] gewissermaßen zu einem selbstverständlichen musikalischen Urgrund geworden, der, ohne vordergründig zu sein, immer präsent ist. So konnte er auch im Vorfeld der Komposition […] nach eigenen Worten die Musik der „Exequien“ vergessen und sich ganz dem anspruchsvollen Text, dessen Assoziationen und philosophischen Implikationen von Licht versus Schatten, von Trost, Leiden und Hoffnung zuwenden. Wie aber nähert man sich als Komponist d[iesen] Worten […]? Indem man dem Klang der Worte nachhört, sie gut singbar in eine Partitur überträgt, sie ausschwingen lässt, Chorsolisten einzlne Passagen zur Verdeutlichung überlässt oder in aleatorischen […] Partien dem Chor bestimmte, inhaltlich bestimmende Worte zur freien Nutzung als Sprechgesang überlässt, um Kontraste und sinnvolle gedankliche Abschnitte zu schaffen. So wurde man einbezogen in ein zutiefst tröstliches Ereignis, wenn auch der Zugang zum Text beim einmaligen Hören noch nicht gellingen konnte. Aber die Musik von Bernd Franke half durch ihre suggestive und emotionale Kraft. […]
Eine ähnlich überwältigende Wirkung ging von der exquisiten Aufführung der „Exequien“ aus. Mit den 22 Sängerinnen und Sängern, unter ihnen die Vokalsolisten, entsprach die Stärke des Vocalensembles etwa der Hofcantorey zu Schütz‘ Zeiten […]. Dazu begleitete die Basso-continuo-Gruppe der Batzdorfer Hofkapelle […], eine in ihrer dienden Funktion völlig ausreichende Instrumentalformation. [...] Schütz hat für jeden Textabschnitt eine eigene Besetzung gewählt, ist der Bedeutung einzelner wichtiger Worte nachgegangen und [hat] eine jeweils überzeugende musikalische Form gefunden, für die Matthias Jung eine ebenso überzeugende Interpretation gefunden hat. Auch die Annenkirche hat einen gewissen Nachhall, aber […] die Binnenstruktur, die jeweils wechselnden Ausdrucksformen [waren] eindeutig zu erkennen. Das wurde im dritten Teil der „Exequien“ besonders deutlich, als der kleine Favoritchor (drei Stimmen und Laute) von der 2. Empore neben dem Altar […] die tröstlichen Verheißungen aus „englischer“ Höhe verkündete. Mit einigen ergänzenden Motetten aus der „Geistlichen Chormusik 1648“ war dieses Programm eine eindringliche Ehrung für den Komponisten zur 350. Wiederkehr seines Todestages: interpretatorisch auf höchstem Niveau, programmatisch untadelig gestaltet.

Dr. Reiner Zimmermann