Es hieße, die sprichwörtlichen Eulen nach Athen tragen, wollte man über die außergewöhnliche Güte des seit fast dreißig Jahren bestehenden Sächsischen Vocalensembles, mit Matthias Jung als spiritus rector, debattieren. Es ist ein absolutes Spitzenensemble, das ganz oben auf dem Kammerchorolymp angesiedelt ist – musikalisch, in der Klangbalance und von der wohldosierten Ausdrucksintensität her. Dazu kommt noch eine vortreffliche programmatische Arbeit, die immer gut für Entdeckungen ist. Das gilt insbesondere für die Karfreitagskonzerte, so auch in diesem Jahr. Im Zentrum standen die sieben letzten Worte Jesu am Kreuz, das Nachdenken über die Leidensgeschichte des Herrn. [Matthias Jung hatte sich entschlossen,] einen großen Bogen von der Renaissance bis zur Gegenwart auszuschreiten – für den Chor Gelegenheit, seine traumwandlerische, stilsichere Souveränität unter Beweis zu stellen.
Natürlich hörte man Heinrich Schütz, in diesem Fall „Da Jesus an dem Kreuze stund“ [und] das achtstimmige „Unser Herr Jesus Christus“ – sauber in der stimmlichen Qualität, subtil und eindringlich im Gestaltungsvermögen. […] Das „Stabat Mater [von Palestrina] besteht aus zwanzig höchst abwechslungsreichen Teilen, die das Sächsische Vocalensemble sensibel, in enger Textgebundenheit differenziert und mit jenem warmen und dennoch glasklaren Klang, der diesen Chor auszeichnet, zelebrierte. Dem stand Orlando di Lassos sechsstimmige angstvolle Motette „Timor et tremor“, die hier wirklich ein einziges großes Flehen war, gegenüber. Dass das Sächsische Vocalensemble und Matthias Jung bei der Wiedergabe nicht der Gefahr von Weinerlichkeit unterlagen, sondern sie ganz von innen heraus und schlicht wirken ließen, versteht sich von selbst. […]
Erwartungsgemäß avancierten die „Seven Last Words from the Cross“ des Schotten James MacMillan zum abschließenden Kulminationspunkt. […] Der sorgfältig ausgeleuchtete Farbenreichtum des Werkes, verblüffende Ausdrucksfacetten, seine unterschiedlichen Gestaltungsakzente zogen schnell in ihren Bann. Und so makellos, auf den Punkt gebracht, auch in extremen Höhen, wie das Sächsische Vocalensemble vorging, konnte man sich dem Stück nicht verschließen. Die Dresdner Kapellsolisten brachten sich im wahrsten Sinne des Wortes als flexibler, klangschöner und aufmerksamer Partner ein. Immer wieder Gänsehautmomente zaubernd, so die unwirkliche Intimität des letzten Satzes.
Fazit: eine Stunde der inneren Einkehr und großer Emotionen.
Mareile Hanns